
[Moongaze / Post Metal] – Eigenproduktion (2023)
Schweiz
Von Vergänglichkeit, Tod und der Eitelkeit des Daseins…
Einmal mehr hat sich im Gefüge von wazzara etwas bewegt: Sängerin und Kopf der Band Barbara «Babs» Brawand (Isôt Estrange, Between Giants, ex-Caladmor), Gitarrist Mäsi Stettler (ex-Caladmor) und Bassist George Necola (Between Giants) werden neu von Tom Kuzmic (Amputate, Disparaged) an der Gitarre unterstützt. Überdies zählt Drummer Deniz Lebovci (Fueled by Fear, ex-Disparaged) mittlerweile ebenfalls als vollwertiges Bandmitglied. In dieser Zusammensetzung wurde der nach „zessa“ (2019) und „Cycles“ (2021) dritte Release namens „Ombreine“ (Wortspiel aus den französischen Begriffen „ombre“ [dt. Schatten] und „reine“ [Königin]) eingespielt.
Den Auftakt macht das ‚Guggisberglied‘. Dabei handelt es sich (vermutlich) um das älteste, heute noch bekannte Schweizer Volkslied. Die unglückliche Liebesgeschichte trug sich wohl im späten 17. Jahrhundert zu. Die früheste schriftliche Erwähnung datiert von 1741. Der österreichische Staatsmann Karl Graf von Zinzendorf hörte das Lied 1764 im Rahmen einer Schweizerreise und hinterliess der Nachwelt die erste Textversion davon.
Es existieren zahlreiche verschiedene, für die Populärmusik adaptierte Versionen vom ‚Guggisberglied‘. Eine der bekanntesten dürfte jene des Chansonniers Stephan Eicher aus dem Jahr 1989 sein (ältere Semester kennen den Herrn vielleicht noch von Grauzone und deren NDW-Hit ꞌEisbärꞌ). Aber auch eine Dance Version (Christine Lauterburg; 1996) oder eine modernere Variante (2018) von Steff la Cheff erlangten in der Schweiz Bekanntheit. Um den Bogen zum Metal zu schliessen: die Folk / Black Metaller Ungfell haben sich ebenfalls 2018 dem Lied angenommen, blieben dabei aber dem Original mit einer Akustik-Folk Darbietung ziemlich treu.
Die Zürcher hingegen setzen das ‚Guggisberglied‘ auf ihre ganz eigene Weise um: nämlich, indem sie das Stück kurzerhand in ein wazzara-Soundkorsett stecken. Dabei dürfte es sich wohl um die erste Extreme-Metal Adaption dieses Schweizer Klassikers handeln. Der traurigen Melodie wird durch Babs warme Stimme etwas Hoffnung geschenkt. Dabei musste sich die Sängerin erst noch vertieft mit der Aussprache und Intonation des in Berndeutsch gesungenen Liedes auseinandersetzen, da sich die beiden Dialekte (Zürich- und Berndeutsch) nicht unwesentlich voneinander unterscheiden. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die dissonanten Akkorde im Refrain. Zum Ende hin gipfelt der Track in einem Black Metal Crescendo inkl. herrlichen Tremologitarren und Schreigesang von Babs. Genial umgesetzt!
Deutlich vertrackter, ja beinahe schon progressiv kommt ‚Visiûne‘ daher. Insgesamt langsamer gehalten als der Opener, erzählt dieser Track eine fortlaufende Geschichte. Keine leichte Kost und weit entfernt vom gängigen Strophe – Refrain – Strophe Schema. Hier braucht es definitiv mehrere Hördurchläufe, um sich reinzufühlen. Babs setzt ihre Stimme dabei äusserst vielseitig ein: von Klargesang über Growls bis hin zu Spoken-Words ist alles vertreten. Schön überdies, wie prominent der Bass zur Geltung kommt.
‚What Lies Beneath‘ fiel wiederum eingängiger aus, ist mehrheitlich rockig / doomig gehalten und weiss mit einer wunderschönen Melodieführung zu punkten. Wem hier die Niederländer Dool in den Sinn kommen, liegt sicherlich nicht komplett daneben.
„Ombreine“ handelt von Vergänglichkeit, Tod und der Eitelkeit des Daseins (passend dazu das Cover-Artwork). Es erstaunt daher nicht, dass „Ombreine“ etwas düsterer ausfiel als noch der Grossteil der Tracks auf „Cycles“ . Unterstrichen wird dies durch den Einsatz von deutlich mehr Growls bzw. Schreigesang von Sängerin Babs.
Gemixt wurde das Werk von Andy Rosczyk im Goblin Sound Studio. Das Mastering erfolgte durch Jonas Ekström von Northmastering. Die beiden haben einen einwandfreien Job abgeliefert: „Ombreine“ weist einen klaren, differenzierten und gleichzeitig druckvollen Gesamtsound auf.
Fazit: Starker Release!
Die EP enthält drei Tracks bei einer Spieldauer von 18 Minuten und wird am 30. April 2023 als CD und in digitaler Form veröffentlicht.
Hörbeispiele zu wazzara gibt es unter folgendem Link:
geschrieben am 16.04.2023 von wallace.folkmetal@gmx.at
Bewertung: Punkte (Innovation): 13 von 15
Punkte (Gesamt): 13 von 15
Informationen: wazzara
Eigenproduktion